Was eigentlich ist Geld? Eine kleine Einführung in Form einer Geschichte.
Eigentlich ist es ganz einfach. Bei jedem Tausch– Kauf, Verkauf – wird Produktion gegen Produktion getauscht. Der Verkäufer bietet ein bereits produziertes oder noch zu produzierendes Gut (oder Dienste) an – und der Käufer als Gegenleistung ebenfalls.
Versetzen wir uns also in einen Realtauschmarkt ohne Geld. Ein Schuster bietet ein Paar Schuhe an. Ein Bäcker möchte sie haben und bietet dem Schuster dafür 30 Brote an, je ein frischgebackenes Brot an 30 Tagen. Bei der Transaktion wurde also ein bereits produziertes Gut gegen 30 noch zu produzierende Güter getauscht.
Nehmen wir nun an, der Schuster benötige kein Brot mehr, weil seine Frau selber bäckt. Er möchte aber die Schuhe verkaufen, um mit dem Erlös bei einem Bauer täglich frische Milch zu beziehen. Also sagt er dem Bäcker: „Gib mir einen Zettel mit deiner Unterschrift, auf dem geschrieben steht ‹Ich liefere an 30 Tagen des Jahres X je ein frisches Brot an den Inhaber dieses Zettels›“.
Nun kann der Schuster zum Milchbauer gehen und ihm den Beleg gegen die Zusage anbieten, an 30 Tagen des Jahres X je einen Liter Milch abzugeben. Der Zettel fungiert also als Geld, das den Tausch erleichtert. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass nach wie vor Produktion gegen Produktion getauscht wird – nur eben mit Hilfe von Geldzetteln.
Irgendwann erkennen die Teilnehmer des Wochenmarktes, dass die Zettelwirtschaft zu kompliziert ist, weil Anzahl und Lieferzeitpunkt der zu tauschenden Einheiten nicht immer den Wünschen der möglichen Käufer und Verkäufer entsprechen. Sie beginnen, „echtes“ Geld einzuführen, in Form von Gold und Silber. Es stellt für alle Beteiligten einen Wert dar, weil man es 1) nicht beliebig vermehren und 2) zu allseits geschätztem Schmuck verarbeiten kann.
Aber auch jetzt wird auf dem Markt Produktion gegen Produktion getauscht. Das Edelmetall ist nur als Mittel zur Tauscherleichterung dazwischengetreten. Der Schuster sagt nun: „Du kannst das von mir produzierte Paar Schuhe gegen soundsoviel Gold haben“ – und der Käufer gibt ihm das Gold, das er nur deshalb besitzt, weil er vorher selber etwas produziert und gegen Gold getauscht hat.
Später kommen die Marktleute auf die Idee, nicht mehr Gold und Silber mit sich herumzutragen, sondern Zertifikate auszustellen, auf denen geschrieben steht: „Ich garantiere dem Inhaber dieses Zertifikates, dass ich es jederzeit gegen x Gramm Gold eintausche.“ Wiederum hat sich an den Tauschvorgängen nichts geändert. Es wird Produktion gegen Produktion getauscht, nur mit einem kleinen Umweg über das Gold, und dann dessen Zertifikat.
Irgendwann taucht der Gedanke auf, nicht mehr lange Belege zu schreiben, sondern nur noch Zettel mit dem Aufdruck „1 G“ oder „5 G“ oder „10 G“ usw. zu benutzen, ausgegeben von einem Goldschmied, bei dem das Gold hinterlegt wurde. Eines Tages reitet der örtliche Fürst vorbei, beobachtet das Markttreiben und sieht die Zettel, die als Tauschmittel dienen. Er weist seinen Kämmerer an, ein paar Tausend davon zu drucken. Der Kämmerer wendet ein: „Aber Euer Gnaden haben doch gar nicht so viel Gold, wie die Zettel ausweisen.“ Der Fürst antwortet: „Das spielt keine Rolle, die Leute vertrauen mir. Sie haben sich daran gewöhnt, bei ihren Geschäften nur noch an G-Zettel zu denken und nicht mehr an das Edelmetall, das eigentlich dahinterstehen müsste. Ausserdem verbiete ich den Gebrauch aller anderen Zettel ausser den meinigen.“
So kommt das ungedeckte Papiergeld in die Welt. Es wird nun nicht mehr Produktion gegen Produktion getauscht, sondern Produktion gegen Papierfetzen, auf denen eigentlich stehen müsste: „Irgendjemand wird schon so dumm sein, gegen Hergabe dieses Zettels etwas zu produzieren, weil er glaubt, dieser sei nach wie vor eine Produktionszusage.“ Sobald die Leute das merken und allmählich aufhören, etwas für die Papiere zu produzieren, werden die Güter teurer, weil es viel mehr Zettel als Güter gibt. Der Fürst wird seinen Kämmerer dann anweisen: „Erkläre die Zettel für wertlos und gib neue aus [Währungsreform]. Die Leute werden wieder eine Weile an diese glauben, weil sie sich noch daran erinnern, dass man in früheren Zeiten für echtes Geld tatsächlich etwas produziert hat.“
aus Schweizer Monatshefte, Nr. 975 / Januar/Februar 2010, S. 20