„Gefährliche Freunde“


Nicht nur ihre erklärten Feinde – wie Sozialisten und sonstige Totalitäre – gefährden die Freiheit, sondern auch (und vielleicht noch mehr) ihre prinzipienvergessenen Freunde.

Das wichtigste Element und Prinzip der Freiheit ist das Eigentum, das Eigentum an der eigenen Person, am eigenen Körper und an rechtmäßig erworbenen Gütern. So wie das Prinzip „Ehrlichkeit“ durch den Diebstahl eines einzigen Euros genauso verletzt ist wie durch den Diebstahl von Tausend Euro, so hat auch die scheinbar nur geringfügige Verletzung des Prinzips „Eigentum“ zur Folge, dass alsbald die ganze Institution namens „Eigentum und Freiheit“ zur Disposition steht. Einige alltägliche Beispiele mögen das verdeutlichen:

Verfügungsrecht des Eigentümers

Angesprochen auf das Thema „Rauchverbot“ äußert sich der Inhaber und Betreiber einer Bar: „Wenn das Rauchen im Restaurant verboten wird, sehe ich das ein. Obwohl ich selber Raucher bin, empfinde ich es als unangenehm, wenn ich irgendwo essen soll, wo geraucht wird. Aber ein Verbot in Bars und Cafés geht zu weit.“ Dieser Mann mag sich für einen Freund der Freiheit halten; in Wirklichkeit ist er ihr in den Rücken gefallen und zählt zu ihren Feinden. So wie es jedermann für selbstverständlich hält, dass mir in meinem eigenen Haus kein Gesetzgeber das Rauchen verbieten darf, so selbstverständlich ist es, dass niemand das Recht eines Restaurantbesitzers verletzen darf, in seinem Eigentum allein bestimmen zu können, ob das Rauchen erlaubt ist oder nicht. Zum Eigentum gehört unabdingbar das alleinige Verfügungsrecht des Eigentümers. Ein Restaurant ist kein „öffentlicher Raum“. (Ebenso wenig handelt es sich übrigens bei einem privaten Unternehmen mit seinen Büros um einen „öffentlichen Raum“). Niemand ist gezwungen – im Gegensatz zu vielen tatsächlich öffentlichen Räumen (wie beispielsweise Behörden), ein Restaurant zu besuchen, in dem geraucht werden darf. Wer sich vom Qualm belästigt oder gefährdet fühlt, kann entweder in ein Lokal ausweichen, wo der Eigentümer ein Rauchverbot erteilt hat, oder zu Hause bleiben – oder seinen eigenen Gasthof eröffnen.

Wie weit das Eigentum als elementarer Freiheitskern verkümmert ist, erkennt man an der Tatsache, dass beim Thema „Rauchverbot“ Dutzende Pro- und Contra-Argumente angeführt werden – nur nicht das einzig entscheidende und einzig legitime, nämlich das alleinige Entscheidungs- und Verfügungsrecht des jeweiligen Eigentümers. Dasselbe gilt für das endlose Medienthema „Ladenöffnungszeiten“. Wäre die Freiheit in unserem Land nicht bereits auf dem Hund, könnte diese Diskussion gar nicht stattfinden und würden nicht zahllose Argumente für längere oder kürzere oder andere Öffnungszeiten angeführt – nur eben nicht das einzig gültige: das freie Verfügungsrecht des Eigentümers, seinen Laden öffnen und schließen zu können, wann immer er will und so lange wie er will. Auch ein Ladengeschäft ist kein „öffentlicher Raum“. Niemand ist gezwungen, dort einzukaufen, wenn ihm die Öffnungszeiten nicht genehm sind. Auch keiner der dort Beschäftigten ist gezwungen, die Arbeitsstelle anzutreten oder dort zu bleiben, wenn ihm die Arbeitszeiten nicht passen.

Beschränkung des Rechts

Alles auf dem Markt geschieht freiwillig und friedlich (soweit es sich nicht um kriminelle Aktivitäten handelt, die zu ahnden sind). Zwang und Gewalt, „legitime“ Androhung und Anwendung von Gewalt, gibt es nur vonseiten des Staates. Deshalb müssen wir feste und hohe Hürden gegen Leviathan errichten, und der beste und wirksamste Schutzwall ist der Respekt vor dem Eigentum. Wer stattdessen nach staatlicher Regulierung ruft, sobald ihm irgendetwas nicht in den eigenen Kram passt, macht das Gegenteil: Er ruft nach dem Staat und fordert ihn auf, Hürden gegen die privaten Eigentumsrechte zu errichten – und somit Mauern gegen unser aller Freiheit. Das Ungeheuer Leviathan wartet nur darauf, gerufen zu werden. Mit jedem Hilferuf wird seine Macht noch bedrohlicher und seine Schergen noch dreister und gefährlicher.

Ganz finster wird die Sache des Eigentums und der Freiheit bei den sogenannten Antidiskriminierungsgesetzen. Dass der Staat als alleiniger Inhaber des Gewaltmonopols jeden Bürger nach den gleichen (genauer: nach denselben) Regeln behandeln muss – und somit niemanden diskriminieren darf, ist selbstverständliche Grundlage eines Rechtsstaats. Dass aber zum Privateigentum unabdingbar das Ausschlussrecht gehört, sollte ebenfalls selbstverständlich sein. Ein Staat, der das Ausschlussrecht des Eigentümers abschafft oder einschränkt, ist kein Rechtsstaat mehr, sondern totalitär. Mit der Beschränkung des Rechts, jeden beliebigen anderen Menschen, egal aus welchem Grund oder Motiv, von der Nutzung meines Eigentums ausschließen zu können, stirbt auch mein Verfügungsrecht über dieses Eigentum – inklusive der Vertragsfreiheit – und somit die Institution „Eigentum und Freiheit“ ganz generell. Keiner der Talkshow-Schwätzer hat diesen wichtigsten Kern der Diskussion jemals angesprochen, weder beim Gleichstellungsgesetz noch beim Ladenschluss noch beim Rauchverbot.

Wilhelm Röpke, einer der großen Gelehrten des 20. Jahrhunderts, hat in seinem berühmten Werk „Jenseits von Angebot und Nachfrage“ geschrieben: „Wenn aber das Eigentum mehr und mehr zum prekären Besitz herabsinkt, der von der Willkür der Verwaltung oder von der Gnade des Stimmzettels abhängig ist, wenn es aufhört, eines der selbstverständlichen und elementaren Rechte zu sein, das keiner anderen Begründung bedarf als der des [Eigentums-] Rechtes selber, dann ist das Ende einer freien Gesellschaft abzusehen.“ (S. 33)

Politische Sprachvernebeler

Röpkes noch berühmterer Kollege und Nobelpreisträger, Friedrich August von Hayek, hat in seinem Aufsatz „Die Ursachen der ständigen Gefährdung der Freiheit“ (Ordo, 1961) eindringlich gemahnt: „Wenn die Entscheidung zwischen Freiheit und Zwang als eine Zweckmäßigkeitsfrage behandelt wird, die in jedem Einzelfall besonders zu entscheiden ist, wird die Freiheit fast immer den Kürzeren ziehen. Sobald also die Freiheit als Zweckmäßigkeitsfrage behandelt wird, ist ihre fortschreitende Untergrabung und schließliche Zerstörung unvermeidlich. Die Freiheit [kann] nur erhalten werden, wenn sie nicht bloß aus Gründen der erkennbaren Nützlichkeit im Einzelfalle, sondern als Grundprinzip verteidigt wird, das der Erreichung bestimmter Zwecke halber nicht durchbrochen werden darf.“ (S. 104f).

Wer sich für einen Freund der Freiheit hält, möge sich diese Hayek-Sätze übers Bett nageln, um nicht immer wieder in den Einheitschor der politischen Sprachvernebeler und der Begriffsverfälscher in den Medien einzustimmen – und damit gedankenlos zum Feind der Freiheit zu werden.

dsmagazin (Der Selbstständige), Nr. 1/2007, S. 4f.