Dieser Beitrag ist erschienen in eigentümlich frei (September 2010), in welchem Roland Baader weitsichtig bereits Folgendes prophezeit hat: “Man wird die Probleme mit weiteren Dollar- und Euro-Billionen und weiterer Verschuldung nie gesehener Größenordnung hinausschieben bis zum bitteren Ende.” Genau das passiert heute mit gigantischer Geldschwemme und Negativzinsen.
Eine Binsenweisheit vorweg: Nur der freie Markt kann die wirtschaftlichen – und somit auch viele nicht-ökonomische – Existenzprobleme grosser arbeitsteiliger Gesellschaften effizient und friedlich lösen. Effizient, weil er – und nur er, der Markt! – vermittels Millionen von Preissignalen – die Knappheitsrelationen der Güter sowie die Präferenzen und Bedürfnisstrukturen der beteiligten Menschen aufnimmt und verarbeitet, und weil er – ebenfalls über unzählige Preissignale und über die Mechanismen von Gewinn und Verlust – die knappen Ressourcen in ihre jeweils produktivsten Verwendungen lenkt. Der freie Markt kann so viel an Wissen, Wollen und Können der Bürger in seine Entscheidungsstrukturen einfliessen lassen, wie es niemandem sonst möglich wäre, auch nicht einer Ansammlung der klügsten Eliten der Welt. Friedlich löst der Markt diese Probleme, weil in ihm alle Transaktionen, alle Tausch- und Vertragshandlungen freiwillig erfolgen. Niemand wird unter Androhung oder Ausübung von Gewalt gezwungen, irgendetwas nachzufragen oder anzubieten. Zwang und Gewalt sind Elemente der Herrschaft (Staat / Regierung) und der Kriminalität, nicht des freien Marktes.
Nennen wir aus Vereinfachungsgründen die Summe der ökonomischen Problemlösungen persönlicher und gesellschaftlicher Art nach dem Marktschema der Effizienz und der Freiwilligkeit einmal „Vernunft”. Man erkennt dann unmittelbar, dass Vernunft und Macht (Herrschaftsmacht) einander ausschließen, ja sich diametral entgegenstehen. Die Ausübung von Herrschaft ist der Wesenskern der Existenz politischer Eliten, ob es sich nun um Könige und Fürsten oder um Tyrannen oder um demokratische Regierungen handelt. Machtausübung im Sinne von Herrschaft kann nicht „vernünftig“ sein. Sie muss der Vernunft entgegenstehen; sonst würde sie sich selber zugunsten freier Märkte funktionslos und überflüssig machen. Schon 1914 hat der Ökonom Eugen von Böhm-Bawerk in seinem berühmten Aufsatz „Macht oder ökonomisches Gesetz“ belegt, dass Politik zwar vorübergehend tiefgreifende Wirkungen auf die Ergebnisse des Wirtschaftsprozesses haben kann, dass sie sich auf Dauer jedoch nicht den Marktgesetzen entgegenstemmen kann. Tut sie dies – wider alle ökonomische Vernunft und trotz aller üblen Folgen dennoch über lange Zeit, so ist das Ergebnis der Ruin und der Untergang ganzer Volkswirtschaften und Völker.
Man kann das auch anders sagen, nämlich: Wer von Politik vernünftige Entscheidungen erwartet, hat nicht begriffen, dass der Wille zur Macht stärker ist als jede Vernunft. Der alles andere überragende Impetus einer jeden Regierung – auch der demokratischen – ist es, ihre Macht zu vergrößern und an der Macht zu bleiben, und zwar um jeden Preis. Der große Ökonom des 20. Jahrhunderts, Ludwig von Mises, hatte recht als er schrieb: „Macht also solche ist von Übel, egal wer sie ausübt.“ Auch wenn die Macht demokratisch-legitim erworben wurde, laden ihre Mechanismen zum Missbrauch ein. Max Weber hat das in die denkenswerten Worte gefasst: „Die alten Christen wussten sehr genau, dass die Welt von Dämonen regiert sei und dass, wer mit der Politik, das heisst: mit Macht und Gewaltsamkeit als Mitteln, sich einlässt, mit diabolischen Mächten einen Pakt schliesst.“ Vielleicht ist es ein Ergebnis dieses Diabolischen, dass schlechte Politiker länger an der Macht bleiben als weniger schlechte und dass ausgerechnet die teuflischsten aller Despoten oft bis weit über ihren Tod hinaus wie Götter verehrt werden.
Macht kann prinzipell auf zwei Wegen errungen werden: Entweder mit der Waffe (Androhung oder Ausübung von Gewalt) oder mit Geschenken (Versprechungen sowie Brot und Spiele). Demokratien arbeiten hauptsächlich mit Letzterem und nehmen deshalb früher oder später alle die Form des Sozial- und Wohlfahrtsstaates an. Zugrunde liegt beidem, dem Gewaltstaat wie dem Wohlfahrtsstaat dieselbe Tatsache, nämlich dass sich Politiker in der gesamten Menschheitsgeschichte anderer Leute Eigentum angeeignet haben, um sich damit Macht zu kaufen. Besonders übel ist dabei die Tatsache, dass die Opfer das überwiegend für notwendig oder gar vorteilhaft halten. Das liegt zum einen daran, da fast alle Leute ihre (notwendige und nützliche) Autoritäts-Erfahrung aus der privaten Welt (z.B. Vater oder Mutter als „Chef“ der Familie, der Boss als Kopf des Unternehmens etc.) auf die politische Welt übertragen – nach dem Motto „Jedes Volk braucht eine Führung“. Und das ist verheerend. Doch hat es tausend Jahre mit tausend Kriegen und Desastern gedauert, bis wir erkannt haben, dass wir weder Könige noch Fürsten noch grosse „Führer“ brauchen; und leider wird es wohl weitere tausend Jahre dauern, bis wir begriffen haben, dass wir andere politische Führungskasten ebenfalls nicht brauchen. Zum anderen liegt die Akzeptanz von Herrschaft durch die Beherrschten daran, dass die Massen umso eher bereit sind, einem „Führer“ zu folgen, je mächtiger er ist. Irenäus Eibl-Eibesfeldt hat dazu erklärt: „Die kindliche, schutzbedürftige Seite unseres Wesens verehrt die Macht des Siegers, der Schutz verspricht, um so mehr, als die anonyme Gesellschaft eine ängstliche Grundstimmung induziert.“
Im modernen Sozial- und Wohlfahrtsstaat kommt als Drittes hinzu, dass der sich vermittels Geschenken und Versprechungen aufblähenden Staatsmacht auf der Gegenseite eine wachsende Zahl von bedürftigen Empfängern gegenübersteht. Permanente Stallfütterung erzeugt Abhängigkeit. Im Umverteilungsstaat erwartet jedermann eine Verteilung zu seinen Gunsten. Die Beherrschten akzeptieren, ja begrüssen die Herrschaft umso bereitwilliger, je mehr von ihnen von staatlichen Transfers abhängig sind und je umfassender und weit gestreuter diese Leistungen sind. Den Wesenskern der Unfreiheit trifft nicht der Satz „Keine Sklaven ohne Herren“, sondern „Keine Herren ohne Sklaven“. Als sich bei der letzten Wahl in Schweden nach Jahrzehnten der sozialdemokratischen Herrschaft ein Sieg der Konservativen abzeichnete, meinten diese, ihre Popularität durch Steuersenkungs-Versprechungen mehren zu können. Doch damit fielen sie bei Umfragen dramatisch zurück und ließen ihre Ankündigung rasch fallen. Inzwischen sind nämlich mehr als 70 % der Schweden in irgendeiner Form von öffentlichen Transfers abhängig und fürchten nichts mehr als geringere Steuern und die damit verbundene Aussicht auf sinkende Staatsleistungen.
In Deutschland hat diese Ziffer die Grenze von 50 % – und damit den „point of no return“ ebenfalls schon lange überschritten. Man bedenke, daß es sich bei denjenigen, die auf der Gehaltsliste Leviathans stehen, nicht nur um Sozialhilfe- und Harz IV-Empfänger, um Rentner und Pensionäre handelt, sondern auch um alle Beamten und Bediensteten des öffentlichen Dienstes, indirekt auch um fast alle Mitarbeiter des Gesundheits- und Wohlfahrtswesens. Sogar die kirchlichen Sozialorganisationen Caritas und Diakonie sind gigantische quasistaatliche Lohn- und Gehaltsquellen. Hinzu kommen ungezählte Empfänger von Subventionen und Fördergeldern. Alles ehrenwerte Leute, aber eben Abhängige vom grossen Euter des Molochs Staat. Die politischen Herrschaftscliquen haben hinsichtlich der Akzeptanz ihrer Zwangsregimente in der Bevölkerung schon lange nichts mehr zu fürchten – ausser den Umfang ihrer Segnungen beschneiden zu müssen und damit den Grossteil des Stimmviehs gegen sich aufzubringen.
Dieses Herrschaftsspiel der Massen-Stallfütterung funktioniert aber nur durch die Möglichkeit, beliebige Geldsummen durch unablässige Staatsverschuldung schaffen zu können. Das Steuersubstrat reicht dafür schon lange nicht mehr aus. Brot und Spiele im Tausend-Milliarden-Umfang sind nur finanzierbar, wenn man die Tausenden von Milliarden an ungedecktem Papiergeld mit Federstrichen aus dem Nichts schaffen kann – und wenn man dieses Schein- oder Falsch-Geld per Gesetz zum alleinigen „gesetzlichen Zahlungsmittel“ erklärt. Im Zehnjahreszeitraum 1999 bis 2009 ist die Geldmenge (M2) in den USA um fast 100 % gestiegen, im Euro-Raum (M3) um 116 %. Zum Herrschaftsspiel mit Ozeanen aus Papiergeld und Wolkenkuckucks-Krediten gehört auch seit dem Voodoo-Ökonomen John Maynard Keynes die Mär, die öffentlichen Hände könnten – und müssten – jeder Konjunkturdelle und jeder Wachstumsschwäche mit riesigen Staatsausgaben und „Ankurbelungs“- oder „Rettungs“-Paketen entgegenwirken. Das Märchen, Wachstum und Wohlstand seien das Ergebnis wachsender Nachfrage, wird seit nunmehr achtzig Jahren verbreitet, sowohl von den Regierungen als auch von den meisten Ökonomen. In Wirklichkeit ist eine wachsende Nachfrage nicht die Ursache, sondern das Ergebnis des Wirtschaftswachstums durch Produktivitätssteigerung. Jedermann weiss, dass er sich nicht reich konsumieren kann, sondern dass Verschuldung zu Konsumzwecken in die Armut führt. Dass dies in der aggregierten Masse – als „Gesamtnachfrage“ – das Gegenteil bewirke, ist ein pseudowissenschaftlicher Humbug, den man den Bürgern nun schon in der dritten Generation aufbindet und mit dem man die Volkswirtschaftsstudenten zu mathematisierten Alchemie-Trotteln macht.
Seit man das echte Geld, die Goldwährung, mit Beginn des Ersten Weltkriegs beerdigt hat, um den Krieg finanzieren zu können, ist die Geldmenge aus den genannten Gründen um das Vierzigfache gestiegen, während sich das reale Sozialprodukt nur vervierfacht hat. Entsprechend dramatisch war der reale Kaufkraftverlust der Einkommen und Sparvermögen der Bürger sowie der Verlust an potenziellem Kaufkraftgewinn. Entsprechend wild geworden ist aber auch die Verschuldungsbereitschaft, das Milliarden-Delirium der Finanzkonzerne, die Ausgaben-Orgien der Regierungen und die Konsumwut der Leute. Aber entsprechend dramatisch werden auch die Geld- und Vermögensvernichtungen der Zukunft ausfallen – zusätzlich zu den Tausend-Milliarden-Crashs der letzten vier Jahre. Die Marktwirtschaft, heisst es, könne sich nicht mehr selbst steuern und müsse sich vom Menschenbild des „homo oeconomicus” verabschieden. Welch ein Unsinn. Wie sich der Markt durchaus rational von seinen Parasiten reinigen wird, werden wir noch erleben. Ifo-Chef Hans-Werner Sinn kommt der Wahrheit sehr nahe, wenn er schreibt: „Auch wenn die Menschen individuell rational sind, sind es Gruppen von Menschen nur dann, wenn die richtigen Spielregeln gesetzt werden. Die Finanzkrise glich einem Dschungelkrieg. Sie ist durch extremes Rationalverhalten der Banken und der Finanzjongleure im Zusammenhang mit fehlerhaften staatlichen Spielregeln voll und ganz zu erklären.“ Die ganze Wahrheit ist, dass der Markt immer funktioniert, und wenn man ihn mit politischer Gewalt und sozialistischen Elementen in falsche Richtungen drängt, wird er zerstörerisch und irgendwann wie ein überdehntes Gummiseil mit furchtbarer Gewalt zurückschlagen.
Noch könnte man das Schlimmste verhüten, wenn die politischen Kasten der westlichen Industrienationen das Entstehen von Privatgeld auf den Märkten zuliessen (ohne die Hürde „Gesetzliches Zahlungsmittel“) und das Zinsdiktat via Zentralbanken aufgeben würden. Die Folge wäre eine scharfe, aber kurze Depression und ein mehrjähriges Sinken der Preise. Doch wäre das geradezu paradiesisch im Vergleich zu der Hölle, die den Bewohnern der westlichen Hemisphäre bevorsteht, wenn sie die beiden Grundpfeiler ihrer Volkswirtschaften, das Geld und den Zins, nicht endlich vom Sozialismus befreien: vom staatsmonopolistischen Zwangsgeld und vom zentralplanwirtschaftlichen Zinsdiktat. Das angebliche Schreckgespenst namens „sinkende Preise”, das dann auftauchen würde, wäre gewiss kein Märchenprinz, aber auch keine Katastrophe. Es wäre der Weg zur Rückkehr in die Normalität. Was soll schlecht daran sein, wenn man sich für denselben Geldbetrag mehr leisten kann als zuvor. Zu einer Zeit als man eine solche Rückkehr – nach Krieg und Revolution – noch zugelassen hat, zum Beispiel in den USA der Jahre 1866 bis 1896, sind die Preise innerhalb dieser dreissig Jahre um zwei Drittel gesunken. In derselben Zeit jedoch stiegen die Reallöhne des Durchschnitts-amerikaners um 90 Prozent. Zugleich tauchten zahllose innovative Unternehmer auf – mit neuen Produkten wie Telefon, Radio und Automobil, die zunehmend der Allgemeinheit zur Verfügung standen. Die Ökonomen nennen das heute eine Zeit „grosser Depression“. In Wahrheit sind damals nur viele Kartellbetreiber (Eisenbahn, Dampfschiffahrt u.ä.) verarmt, während die breite Masse der Amerikaner wohlhabend wurde. Heute müsste die Einsicht lauten: Eine schmerzfreie Beseitigung der gigantischsten Weltverschuldung aller Zeiten ist unmöglich. Eine gesunde Wirtschaft und eine gesunde Welt ohne dauerhaft gesundes Geld kann es nicht geben.
Doch diese Lösung des Weltfinanzproblems und der astronomischen Weltverschuldung würde die politischen Kasten der Gegenwart hinwegspülen und die Herrschaftseliten des Filzkartells aus Politik und Hochfinanz auf Jahrzehnte oder gar dauerhaft ihrer Macht und Pfründe berauben. Deshalb ist diese vernünftige Lösung nicht zu erwarten. Man wird die Probleme mit weiteren Dollar- und Euro-Billionen und weiterer Verschuldung nie gesehener Größenordnung hinausschieben bis zum bitteren Ende. Und bitter wird dieses Ende werden, sehr bitter. Es kann jahrzehntelang dauern und sogar die Grundfesten der Zivilisation erschüttern. Was wir im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert auf Kredit vorausgefressen haben, werden wir für unabsehbare Zeit nachhungern müssen. Und die Verelendung wird begleitet sein von einem Freiheitsverlust ohnegleichen. Weil die Herrschaftseliten ihre Macht – und deren Grundlage, das papierene Falschgeld – mit Zähnen und Klauen verteidigen werden; um jeden Preis, auch um den Preis des vollständigen Währungszerfalls und der abgrundtiefen Verarmung und Entrechtlichung der Massen. Aber auch weil die Bürger das Wesen des Geldes – des gesunden und des kranken Geldes, des kapitalistischen und des sozialistischen Geldes – nicht verstehen und nicht verstehen wollen. Und weil sie das, was vernünftig und unvernünftig ist, im Getöse der Sirenenklänge der keynesianischen Ökonomen völlig falsch einschätzen.
Man erinnert sich der Worte Mephistos an Gottvater in Goethes Faust: „Ein wenig besser würd er [der Mensch] leben, hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben; er nennts Vernunft und brauchts allein, nur tierischer als jedes Tier zu sein.“ Angesichts des fast seit einem Jahrhundert wütenden Keynesianismus ist man versucht, das für eine Beleidigung der Tiere zu halten.