Warum es nicht gut ist, die Welt mit den Mitteln der Politik zu verbessern
Ist es Optimismus? Ist es Beharrlichkeit? Ist es Gutgläubigkeit? In den Demokratien des Westens ist der Glaube der Bürger an die Notwendigkeit und — per saldo — positive Effizienz der staatlichen Politik in den letzten 50 bis 100 Jahren trotz aller desaströsen Entwicklungen ziemlich unerschüttert geblieben. Genau besehen, beruht dieses anhaltende Vertrauen auf einer Reihe von Fehleinschätzungen seitens der Bürger.
Erstens. Die subjektiven Fähigkeiten der politischen Akteure werden, was das Erkennen und Lösen von Problemen angeht, klar überschätzt — Politik ist immer Politik gegen den Markt, sonst müsste sie nicht stattfinden. Sogar wenn die maßgeblichen politischen Akteure umfassend informiert und gebildet wären (was sie nicht sind) und wenn sie ehrlich und uneigennützig handelten (was sie nicht tun), wäre ihre Problemlösungskompetenz im Vergleich zum Markt gleich Null. Problemlösungen dem Markt zu überlassen (auch die täglich millionenfach neu entstehenden Probleme) bedeutet, sie der unendlichen Vielfalt an unterschiedlichem und weitverbreitetem Wissen, Können, Erfinden, Suchen, Entdecken, Improvisieren, Lernen, Streben, Nachdenken und dem Fleiß von Millionen Menschen anzuvertrauen, den millionenfachen arbeitsteiligen Kooperationen der Bürger und dem spezifischen Know-how unzähliger Unternehmer. Diese Aufgaben wenigen Politikergehirnen zu übertragen, kommt letztlich dem verzweifelten und wahnwitzigen Versuch gleich, alles Geschehen der Natur der Direktive eines politischen Gremiums zu unterstellen. George Bernard Shaw hatte recht: „Die Kunst des Regierens besteht in der Organisation von Götzendienst.“
Zweitens. Die objektive Möglichkeit, sozioökonomische Prozesse vermittels politischer Maßnahmen zu „verbessern“ wird ebenfalls überschätzt. Schon 1914 war der Ökonom Eugen von Böhm-Bawerk in seinem berühmten Aufsatz „Macht oder ökonomisches Gesetz“ der Frage nachgegangen, ob es im wirtschaftlichen Leben (und nicht nur in der Natur) Gesetze gibt, gegen die der menschliche Wille — und sei es der machtbewehrte Staatswille — ohnmächtig bleibt. Er zeigte, dass durch künstliche Machtmittel zwar temporär tief greifende Einwirkungen erzielt werden können, dass aber diesen Eingriffen auf Dauer kein Erfolg gegen die ökonomischen Gesetze beschieden sein kann. Macht vermag zwar viel, aber sie vermag sich auf Dauer nicht den Preisgesetzen des Marktsystems zu entziehen. Problemlöser im ökonomischen — sprich: haushälterischen Sinne zum Wohle aller Beteiligten — kann nur der unbehinderte Markt sein. Moderner formuliert: Die Probleme einer komplexen Welt müssen in horizontaler Kooperation gelöst werden, nicht durch eine vertikale Befehlsstruktur. Die moderne Chaostheorie lehrt uns, dass die Welt zu komplex ist, um zentralistisch gemanagt zu werden. Um in einer sich rasch, permanent und unvorhersehbar verändernden Welt zurechtzukommen, bedarf es der persönlichen Autonomie und der frei sich entfaltenden Spontaneität aller beteiligten Personen. Jeder politische Eingriff in diese Autonomie hat Ineffizienz und letztlich Verarmung zur Folge.
Drittens. Noch schlimmer ist, dass die meisten Menschen die wahren Motive und Interessen der politischen Akteure und Apparate nicht kennen oder sie falsch einschätzen. Wenn es stimmt, dass ein gewisser Teil der Bevölkerung böse ist, dann gilt das auch für die politische Kaste. Nur ist jener hier, weil mit Macht ausgestattet, viel gefährlicher. Ludwig von Mises hat 1938 den angeblichen Gemeinnützigkeits-Impetus der Politik verspottet, indem er schrieb: „Gemeinnützig ist, was den Regierungsmännern ermöglicht, sich am Ruder zu behaupten.“ Politik und Bürokratie leben von Regulierung, und da sie nicht arbeitslos werden wollen, sondern mächtiger und einflussreicher, regulieren sie immer mehr — bis sie das gesamte Leben der Bürger unter ihrer Fuchtel haben. Das gelingt um so leichter, als sie für ihr „Geschäft“ kein eigenes Geld einsetzen müssen, sondern das der Steuerzahler. In der Kurzfassung des Publizisten Gene Callahan: Der Markt verteilt die Güter friedlich nach den Regeln der optimalen Knappheitsüberwindung. Dazu bedarf es keiner Herren. Wer herrschen will, verteilt den Kuchen neu. Dann reißen sich alle darum, über „ihre“ Politiker und Parteien mehr vom Kuchen zu bekommen. Damit werden die politischen Kasten „ermächtigt“, Zwang anzuwenden und in Recht umzuwandeln.
Die wichtigsten Motive der politischen Akteure sind Macht und Pfründe. Und die Mittel hierzu sind das Schaffen von Abhängigkeit der Bevölkerung. Das Verbreiten von Angst, das Säen von Feindschaft, Neid und Aversionen – und zugleich das meist in hochmoralische Rhetorik verpackte Angebot parteipolitischer und regierungsamtlicher „Rettungsaktionen“. Die Akteure verhalten sich dabei wie die Mythenkaste der Regenmacher, Wahrsager und Geistheiler. „Im freien Markt“, schreibt der amerikanische Autor Vedran Vuk, „kann es einen solchen Beruf nur als Randerscheinung für Spinner geben. Geld verdienen mit dem Beruf Politiker könnte diese Kaste nicht. Deshalb müssen sie auch permanent lügen.“ Das Dumme ist nur, dass Politiker nicht vom Markt bestraft werden. Ihr Gewaltmonopol ermöglicht es ihnen, ihre Räuberei und ihre Falschinformationen immer weiter zu betreiben. Wenigstens unseren Kinderglauben an ihre guten Absichten sollten wir aufgeben; denn dieser ist die Grundlage ihres Gewaltmonopols. Eine solche Ernüchterung wäre noch nicht einmal neu. Schon im antiken Rom gab es einen allgemein bekannten Spruch: „Senatores boni viri, senatus autem mala bestia.“ Was besagt, die einzelnen Senatoren seien zwar gute Männer, aber der Senat ist eine üble Bestie. Ein politisches Herrschaftskollektiv oder eine politische Verwaltungsinstitution wird auch dann zum Leviathan, wenn die Mitglieder als Einzelpersonen durchaus gute Absichten und einen guten Charakter haben mögen. Jeder Mensch weiß selbst am besten, was gut und schlecht ist für ihn, was er will und was er nicht will. Und auf freien Märkten und in einer freien Gesellschaft kann jedermann das, was er will, am besten verwirklichen oder wenigstens versuchen, es zu verwirklichen. Befehlen oder kollektiv organisieren kann man eine Lebensverbesserung für alle nicht, denn das impliziert Zwang, um den meisten oder allen Menschen Ziele und Verhaltensweisen aufzuzwingen, die die befehlende Institution für besser hält — und das ist Anmaßung. Wenn schon Weltverbesserung und Utopie, dann sollte sie in die entgegengesetzte Richtung gehen. Eine bessere Welt ist eine Welt des Friedens und der Freiwilligkeit.
Schweizer Monatshefte, Nr. 8, 2008, S. 12f